Hintergrundpapier zur Beschäftigung von Saisonarbeitskräften 2019 (Fakten und Herausforderungen, kein politisches Forderungspapier)
1. Sonderkulturen sind arbeitsintensiv
Sonderkulturen sind Bereiche der Pflanzenproduktion, die als besonders arbeits- aber auch kapitalintensiv gelten. Beispielhaft sind zu nennen: Spargel, Erdbeeren, Äpfel, Kirschen, Birnen, Salate, Radieschen, Gurken, Kohl, Hopfen, Wein etc.
2. Anzahl der Saisonarbeitskräfte
Das Statistische Bundesamt gibt für das Jahr 2016 die Anzahl der Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft mit 286.300 und für das Jahr 2013 mit 314.300 an. Aktuellere statistische belegbare Daten liegen nicht vor. Eine gesonderte Erfassung der Saisonarbeitskräfte erfolgt nicht.
Verteilung nach Bundesländern 2016 (Anlage 1 - siehe unten)
3. Saisonarbeitskräfte aus der EU
Belegbare Daten über die Herkunft der Saisonarbeitskräfte liegen nicht vor. Aufgrund von Erfahrungswerten wird von ca. 1/3 Polen und ca. 2/3 Rumänen ausgegangen. Daneben werden u.a. Studenten aus der Ukraine auf der Basis eines besonderen Vermittlungsverfahrens beschäftigt.
4. Saisonarbeitskräfte aus Drittstaaten
Die Beschäftigung von Saisonarbeitskräften aus Drittstaaten (nicht EU-Staaten) ist in Deutschland derzeit nicht zulässig. Jedoch kann Deutschland aufgrund einer EU-Richtlinie (2014/36/EU), umgesetzt in § 15a der Beschäftigungsverordnung, mit Drittstaaten (z.B. Ukraine, Weißrussland) regeln, dass Saisonarbeitnehmer aus diesen Staaten in Deutschland arbeiten können. Voraussetzung ist eine Absprache der Bundesagentur für Arbeit mit der Arbeitsverwaltung des Herkunftslandes. Die Bedingungen für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis sind in der Beschäftigungsverordnung definiert.
5. Saisonarbeitskräfte nicht ausreichend?
Für das Jahr 2019 wird ein deutlicher Engpass bei den Saisonarbeitskräften aufgrund der negativen Erfahrungen der Betriebe im letzten Jahr erwartet. Fachverbände gehen daher von einem spürbaren Rückgang der Anbauflächen aus.
6. Gesetzlicher Mindestlohn
Durch Einführung des gesetzlichen Mindestlohns steigen die Arbeitskosten. Der gesetzliche Mindestlohn beträgt ab 1. Januar 2019 9,19 Euro/Stunde und ab 1. Januar 2020 9,35 Euro/Stunde. Gewerkschaften und Politiker verschiedener Parteien drängen auf eine signifikante Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns in den nächsten Jahren. Die Wirtschaftlichkeit der Produktion von Sonderkulturen wird dadurch erheblich sinken. 2014 wurden zum Teil Löhne in Höhe von 5 bis 7 Euro/Stunde gezahlt.
7. Verfügbarkeit von Saisonarbeitskräften
Für das sinkende Interesse von Saisonarbeitskräften gibt es verschiedene Gründe:
- Positive wirtschaftliche Entwicklungen in Polen und Rumänien und damit ein geringeres Interesse, in Deutschland Saisontätigkeiten in der Landwirtschaft auszuüben. Die Arbeitslosenquote im Dezember 2018 wird für Polen mit 3,5 % und für Rumänien mit 3,8 %, also auf sehr niedrigem Niveau, angegeben (Quelle: Statista 2019).
- Die Sonderkulturbetriebe in Deutschland stehen in direktem Wettbewerb um Saisonarbeitskräfte mit allen anderen Sonderkulturbetrieben in der EU sowie aber auch mit allen anderen Wirtschaftszweigen. Beispielhaft sind hier Bauindustrie, Gerüstbauer, Tourismusbranche, nicht nur in Deutschland, sondern in allen EU-Staaten zu nennen.
- Die Lohnhöhe dürfte eine mitentscheidende Größe sein. Damit stehen Sonderkulturbetriebe in einem Spannungsfeld. Zum einen müssen sie Lohn- und Arbeitsbedingungen bieten, die konkurrenzfähig sind, zum anderen muss bei steigenden Arbeitskosten eine sich betriebswirtschaftlich weiterhin lohnende Produktion möglich sein.
8. Weitere Aspekte
- Gesetzliche Rahmenbedingungen
Betriebe fühlen sich zunehmend überfordert, den zum Teil komplizierten Vorgaben, wie z.B. zum Mindestlohn, zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung der Arbeitsverhältnisse, zur Arbeits- und Ruhezeit gerecht zu werden.
- Wirtschaftlichkeit
Die Erzeugerpreise, also die Preise, die ein Landwirt z.B. vom Lebensmitteleinzelhandel erhält, reichen vielfach nicht aus, um einen nachhaltigen Gewinn zur Entwicklung der Betriebe zu erzielen. In Abhängigkeit von getätigten Investitionen, Abschreibungen und Verzehr von betrieblichen Rücklagen müssen Betriebe entscheiden, ob eine Produktion noch rentabel ist oder wann der Ausstieg aus der Produktion notwendig wird, um nachhaltige Verluste zu vermeiden.
- Betriebsübernahme
Die Führung eines Sonderkulturbetriebes erfordert neben ausgeprägtem Fachwissen auch Menschenkenntnis und eine hohe zeitliche Einsatzbereitschaft, oftmals der ganzen Familie. Die psychische Belastung ist groß und nimmt aufgrund der Rahmenbedingungen weiter zu. Potentielle Hofübernehmer wägen zunehmend die Gesamtsituation ab, prüfen, ob die Übernahme des Betriebes perspektivisch ihre Erwartungen (z.B. Sicherheit, Gewinn, Arbeitsbelastung, Familie, politische Rahmenbedingungen) erfüllen könnte und vergleichen mit anderen Alternativen (z.B. Betriebsumstellung, keine Betriebsübernahme, außerlandwirtschaftliche Erwerbstätigkeit).
9. Artikel aus Spargel & Erdbeer Profi 4/2018 (Anlage 2 - siehe unten)
10. Daten
Entwicklung der Anbauflächen und Erntemengen für ausgewählte Kulturen in Deutschland
Die Entwicklung der Anbauflächen und Erntemengen seit dem Jahr 2010 gestaltet sich für die einzelnen Kulturen sehr unterschiedlich. Die nachfolgenden Daten stammen vom Statistischen Bundesamt (Destatis). Vom Prinzip her gilt, dass bei zunehmender Anbaufläche auch die Erntemenge steigt und umgekehrt. Dies ist jedoch nicht immer der Fall. Für die Erntemenge sind weitere Gründe sehr entscheidend. Dies sind z.B.:
· der Witterungsverlauf,
· die Sortenwahl,
· Änderung von Produktionsverfahren,
· Technisierung und Intensivierung,
· Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln.
Entwicklung der Anbauflächen und Erntemengen für ausgewählte Kulturen in Deutschland und den Bundesländern von 2010 bis 2018
(Äpfel, Einlegegurken, Erdbeeren, Feldsalat, Kopfsalat, Porree, Radies, Rotkohl, Spargel, Süßkirschen, Weißkohl) (Anlage 3 - siehe unten)